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Verbot der unaufgeforderten E-Mail-Werbung

LG Berlin, Urteil vom  13.10.1998, Az. 16 O 320/98; rechtskräftig

Der Fall:
Der Kläger ist Rechtsanwalt und begehrt vom Beklagten Unterlassung der unaufgeforderten Zusendung von Werbe-E-Mails. Der Beklagte betreibt eine Agentur zur Vermietung von Jahrmarktgeräten und anderem Festzubehör. Der Kläger erhielt unter seiner Adresse eine E-Mail des Beklagten, in der dieser für seine Agentur warb. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestanden keine geschäftlichen Kontakte.

Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des LG Berlin. Ferner ist er der Ansicht, daß der Kläger seine E-Mail-Adresse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe und deshalb mit gelegentlichen Werbenachrichten rechnen müsse. Desweiteren ist er der Auffassung, daß ein E-Mail-Werbeverbot gegen Art. 10 der EU-Fernabsatz-Richtlinie verstoße.

Die Entscheidung:
Die Klage des Rechtsanwalts war in vollem Umfang erfolgreich.

Die Klage war zulässig, weil das LG Berlin gemäß § 32 ZPO und § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG örtlich zuständig ist, wonach der jeweilige Begehungsort der angegriffenen Handlung relevant ist. Dies ist bei der Versendung einer E-Mail  jedenfalls auch der jeweilige Standort des Empfängercomputers.

Die Klage war auch begründet, weil der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung entsprechend §§ 1004, 823 I BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ein Wettbewerbsverstoß gem. § 1 UWG lag nicht vor, obwohl die Versendung der Werbe-E-Mail durch den Beklagten ein Handlung im geschäftlichen Verkehr darstellt, aber dieser Handlung fehlt im Verhältnis der Parteien untereinander jegliche wettbewerbsrechtliche Relevanz.

Vorliegend lag ein zielgerichteter Eingriff in den Gewerbebetrieb gemäß § 823 I BGB vor. Bei unaufgeforderter E-Mail-Werbung handelt es sich um eine erhebliche, im Ergebnis nicht hinnehmbare Belästigung des Empfängers, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Empfänger Privatperson, Freiberufler oder Gewerbetreibender ist. Denn da der Abruf der E-Mail-Nachrichten „online“ erfolgt, verlängert jede - auch unerwünschte - Nachricht, die übertragen wird, die Übertragungszeit. Ferner muß der Empfänger auch Arbeitszeit aufwenden, um die erhaltenen Werbe-E-Mails auszusortieren. Desweiteren muß er die diesbezüglich anfallenden Telekommunikationskosten zahlen. Letztlich könnte eine Überschreitung der Speicherkapazität der Empfänger-Mailbox durch eine zu große Anzahl von Werbesendungen. Denkbar wären deshalb sogar Datenverluste oder Rücksendungen (mit Fehlermeldung) der eingehenden Nachrichten an den Absender (Schmittmann, MMR 1998, 55).

Unerheblich ist, daß vorliegend nur eine einzige E-Mail an den Kläger gesandt wurde, denn die Gefahr von Werbe-E-Mails liegt gerade darin, daß eine unkontrollierbare Anzahl von Personen E-Mails an eine ebenfalls unschaubare Zahl von Empfängern sendet und auf Grund dieses Zusammenwirkens eine Beeinträchtigung des Empfängers verursacht wird. Der Eingriff war vorliegend auch betriebsbezogen, weil für den Beklagten aus der Internet-Anschrift .. („Anwalt@...“) des Klägers erkennbar war, daß der Kläger diese Adresse im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit verwendet. Nicht erforderlich ist, daß der Beklagte mit der Absicht handelte, den gewerblichen E-Mail-Anschluß des Klägers zu blockieren.

Nach Ansicht des LG Berlin ergibt sich eine Unzulässigkeit des Verbots der E-Mail-Werbung zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aus der EU-Fernabsatzrichtinie (ABl. EG Nr. L 144 v. 4.6.1997, NJW 1998, 212). Dies deshalb, weil sich Richtlinien der EU gemäß Art. 189 Abs. 2 EGV grundsätzlich an die Mitgliedsstaaten richten und der Einzelne jedenfalls vor Ablauf der Umsetzungsfrist aus ihnen keine Rechte herleiten kann.

Die Konsequenzen:
Unaufgeforderte und somit unerwünschte E-Mail-Werbung bleibt unzulässig. Eine Änderung könnte allenfalls auf Grund der Umsetzung der EU-Fernsehabsatzrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber eintreten. Nach Art. 10 Abs. 2 der EU-Fernsehabsatzrichtlinie würde E-Mail-Werbung dem sog. Opt-Out-Verfahren unterfallen, welches sich als werbefreundlich darstellt, weil dem Beworbenen solange E-Mail-Werbung zugesandt werden darf als er nicht widerspricht. Jedoch darf der nationale Gesetzgeber nach Art. 14 der EU-Fernsehabsatzrichtlinie strengere Regelungen schaffen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Ob dem deutschen Gesestzgeber aber dadurch die Möglichkeit eingeräumt wird, die E-Mail-Werbung in den Katalog des Art. 10 Abs. 1 der EU-Fernsehabsatzrichtlinie (sog. Opt-In-Verfahren) aufzunehmen, ist nicht sicher. Das LG Berlin jedenfalls ist der Ansicht (und macht dies in seiner Entscheidung auch deutlich), daß eine Erstreckung des Opt-In-Verfahrens auf die E-Mail-Werbung mit Art. 14 Satz 2 der EU-Fernsehabsatzrichtlinie nicht zu vereinbaren sei. Das Opt-In-Verfahren erfordert nämlich, daß sich der Beworbene vor der Zusendung der Werbe-E-Mail mit der Bewerbung einverstanden erklärt haben muß. Dadurch könnten deutsche Anbieter gegenüber ihren Wettbewerbern in den anderen Mitgliedstaaten der EU, die eine solche Regelung nicht vornehmen, benachteiligt werden.

Desweiteren läßt sich bereits jetzt schon eine einheitlich Linie der Rechtsprechung hinsichtlich des Gerichtsstands in derartigen Fällen erkennen, wonach auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO und § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG analog zu dem fliegenden Gerichtsstand des Erfolgsortes bei den Printmedien abgestellt wird. So hat schon das LG München in seinem Urteil vom 17.10.1997, in: Computer und Recht (CR) 1997, 155, entschieden. Da dabei auch die internationale Zuständigkeit mitentschieden wird, ist diese Frage für Content- und Access-Provider von gleichem Interesse.

Quellen: 
Multimedia und Recht (MMR) 1999, 43 (Heft 1) mit Anmerkung Kai Westerwelle
NJW-CoR 1999, 52 L
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